Trauma
Wir wissen heute sehr viel über Entstehung, Formen und Folgen von Traumatisierungen. Die vielen Fachbücher bergen aber auch eine Gefahr in sich: es wird fachlich-wissenschaftlich «etwas» erklärt, als ginge es um eine «Sache», dabei ist dieses «Etwas» für die Betroffenen mit Leiden, Horror und Schmerzen verbunden, die sich nicht in Worte fassen lassen.
Worte für etwas, das sich nicht in Worte fassen lässt
Vor einigen Jahren ging die Meldung von einem syrischen Jungen durch die Medien, der voller Stolz fremde Männer zu seinem Vater führte und dann zuschauen musste, wie diese seinen Vater auf brutalste Art ermordeten. Lesen wir dies, ist es gut, wenn wir zuerst einmal sprachlos sind. Kann und soll man in Worte fassen, was in diesem syrische Jungen vorgeht, können wir es überhaupt nachvollziehen? Am ehesten sind Worte wie unfassbar oder unaussprechlich angebracht.
Was ist ein Trauma?
Vom ersten Lebenstag an ist der Mensch Belastungen, Enttäuschungen und anderen schmerzvollen Erlebnissen ausgesetzt: der Hunger des Säuglings, der nicht sofort gestillt wird; der Tod des geliebten Meerschweinchens; die Teenagerliebe, die in Brüche geht; Verlust der Arbeitsstelle; Unfälle und Krankheiten. Es gehört zum Leben, sich durch solch schmerzhafte Erlebnisse hindurchzukämpfen. Dazu sind wir aber auch ausgerüstet mit lebensfördernden, heilenden Kräften – psychisch, körperlich und in unserem Umfeld. Auch wenn diese «zum Leben gehörenden» Belastungen sehr heftig sein können und uns für einige Zeit aus der Bahn werfen – in den meisten Fällen stellt sich früher oder später wieder das Gleichgewicht zwischen den «niederdrückenden» und den «hinaufziehenden» Kräften ein. Das gesunde Leben wird wieder hergestellt. Beim «Trauma» ist das anders: die heilenden Kräfte in uns und in unserem natürlichen Umfeld reichen nicht aus, um die belastenden Erfahrungen zu bewältigen: Wir fühlen uns ohnmächtig gegenüber den «Ungeheuern“, die uns zusetzen, verbunden mit intensiven negativen Gefühlen, vor allem Angst vor drohender Vernichtung, Hilflosigkeit, Kontrollverlust und Verunsicherung.
"Der subjektive Weltuntergang: «Ich rase auf einen Abgrund zu und finde die Bremse nicht, um zu stoppen» - so konnte ein Jugendlicher diesen Zustand in Worte fassen. Das ist der Kern des Traumas."