Höhere Fachschule für Sozialpädagogik

Nachhaltige Änderungen durch Interaktive Lernprozesse

Verhaltensmuster bleiben oft ein Leben lang unbemerkt, obschon wir mit deren Wirkung täglich konfrontiert sind. Und was passiert, wenn wir diese bemerken und gezielt ändern wollen? Gelingt es uns aus eigener Kraft oder brauchen wir Unterstützung?

Datum
2. Dezember 2021

Entscheidungen

In Entscheidungsfindung gehen wir allgemein davon aus, dass wir relevante Fakten rational erfassen, gegeneinander abwägen und uns frei für das entscheiden, was wir wollen. Willensentscheidungen orientieren sich aber nicht nur an den erfassbaren Vorgaben. Entscheidungen werden insgeheim von geerbten Verhaltensmustern unserer Vorfahren instruiert und gewähren in Wirklichkeit weit weniger Spielraum für freie Entscheidung.

Bleiben Verhaltensmuster ein Leben lang?

Verhaltensmuster bleiben oft ein Leben lang unbemerkt, obschon wir mit deren Wirkung täglich konfrontiert sind. Aber manchmal bemerken wir, dass unser Verhalten nicht wirklich mit unserer Überzeugung übereinstimmt, und ärgern uns vielleicht darüber. Dann nehmen wir uns vor, beim nächsten Mal anders zu handeln oder zumindest nicht wieder denselben Fehler zu begehen. Die guten Vorsätze zum Jahreswechsel sind kurzweilige Zeugen dieser Erkenntnis.

Nachhaltige Veränderungen – Ein Erfahrungsbericht

Nachhaltige Veränderungen sind möglich, wenn ich die mich instruierenden Handlungsmuster erkenne und diese durch Interaktive Lernprozesse konditioniere. Verändernde Lernprozesse gehören natürlicherweise zu unserer Entwicklung, wie folgendes Beispiel von Evi Zumsteg zeigt:

Seit meiner Kindheit hatte ich Mühe, mich anderen Menschen anzuvertrauen. Nicht gerade hilfreich kam hinzu, dass in meinem Elternhaus kaum über persönliche Probleme oder über deren Lösungen gesprochen wurde.
Die Grundhaltung meiner Mutter, wahrscheinlich aufgrund ihrer Kindheits-Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg in Österreich war: «vertraue keinem Menschen». Diese Maxime hat sich auch in uns Kindern tief eingeprägt.
Vor 25 Jahren lud mich ein Freund zum Klettern in freier Natur ein. Ich zögerte und getraute mich nicht, mich von ihm abseilen zu lassen oder am Felsen zu sichern. Erst nach vielen Ermutigungen von ihm und nach kleinen Übungsschritten war ich imstande, ihm derart zu vertrauen, dass ich am Seil gesichert und von ihm gehalten am Felsen herunterklettern konnte. Diese neue Erfahrung hat sich in entscheidender Weise in meinem Denken und Handeln eingelagert und mein Vertrauen in Menschen fortan und anhaltend verändert.

Gewünschte Veränderungen gestalten und begleiten

Solche Korrekturen müssen nicht dem Zufall überlassen werden. Wir lernen Interaktive Lernprozesse so zu gestalten und zu begleiten, dass gewünschte Veränderungen möglich werden. Destruktive Handlungsmuster können eine Weiterentwicklung oder gar das Entfalten von angelegten Ressourcen bedauerlicherweise blockieren. Dies trifft für Einzelpersonen, aber auch für mehrköpfige Arbeitsgruppen zu. «Unser Team ist eben so!», lautet die Entschuldigung für den schlechten Teamgeist und die unzureichende Leistung. Eine ermutigende Kultur, das Fördern und Fordern vorhandener Begabungen und Fähigkeiten, eine optimale Teamkonstellation und anderes mehr, können durch Interaktive Lernprozesse gezielt gefördert werden.

Vierstufen-Modell der Interaktiven Lernprozesse

Für die Gestaltung Interaktiver Lernprozesse lässt sich ein Vierstufen-Modell verwenden:

  1. In einem ersten Schritt wird der IST-ZUSTAND ermittelt und festgehalten. Was ist das Problem? Was ist nicht vorhanden? Wer ist davon wie betroffen? Welche Auswirkungen hat es auf das Wohlbefinden? Wie wirken äussere Einflüsse oder Gegebenheiten? Was wurde bisher unternommen? . . .
  1. Der zweite Schritt erfragt den gewünschten SOLL-ZUSTAND. Was könnte anders und besser sein? Wie könnte man ein erwünschtes Verhalten, eine veränderte Situation umschreiben? Wer müsste wann beziehungsweise was tun, damit sich die Sachlage positiv verändert? . . .
  1. Mit dem VERGLEICHSMOMENT werden in einem weiteren Schritt jene Handlungen, Eigenschaften und Fähigkeiten aufgelistet, die in irgendeiner Weise notwendig sind, um eine Veränderung überhaupt zu ermöglichen.
  2. In einem vierten und letzten Schritt werden Aktionen und Aufgaben kreiert, mit deren Hilfe die Teilnehmenden die Vergleichsmomente (siehe Punkt 3) erleben (VERGLEICHSGEGENSTAND).

Beispiel

Der Teamleiter will einen Teamevent ausser Haus durchführen, wo Vertrauen und gegenseitige Verantwortung nicht nur zur Sprache kommen, sondern von den Teilnehmenden erlebt werden können.

Anwendung in der Praxis

Das gemeinsame Erstellen einer Kettenreaktion bietet die Möglichkeit, die Führung zu übernehmen, um erste Erfahrungen in einer Führungsfunktion zu machen. Wer sich zuerst einen Überblick über die Aufgabe, vorhandenes Baumaterial und Werkzeug verschafft, wehrt dem Chaos. Der richtige Arbeitsplatz muss definiert, die personellen Ressourcen und Fähigkeiten koordiniert werden. Die Schnittstellen und Übergänge müssen auf ihre Funktion geprüft werden. Und womit ermutigt man Frustrierte?

Im darauffolgenden Debriefing bewerten sich die Akteure mit Hilfe einer Checkliste selber. Die Erkenntnisse lassen sich in einem sogenannten Transfer auf die alltägliche Situation übertragen und bieten die Möglichkeit, erfolgreiches Handeln im privaten und/oder beruflichen Umfeld anzuwenden.

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